Inbetriebnahme nach langer Standzeit: So küssen Sie Dornröschen wach
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Hallo Erich!
Super Bericht. Lässt sich 1a lesen und zeigt doch die Tücken eines Oldies. Sollte ich jemals auf die Idee kommen mir einen Oldie (Hmmm.. so ein E24 wäre schon geil :wink: ) anzuschaffen, dann lass ich den lieber direkt vom Profi überarbeiten.
Wievile man ruinieren kann, wenn man eine Oldie mal eben aktiviert ist schon heftig.
LG
KaiWas man besonders gerne tut, ist selten ganz besonders gut. :mrgreen:
Kommentar
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Bevor der Link mal im internet-nirwana wieder verschwindet, kopier ich das mal:
Wiederbelebung (aus: OldtimerPraxis 03/2003, Seite 70 ff.)
Inbetriebnahme nach langer Standzeit: So küssen Sie Dornröschen wach
Wer träumt nicht vom legendären Scheunenfund, von dem Auto oder Motorrad, das warm und trocken die Jahrzehnte verschlafen hat und erstaunlich solide dasteht? Tatsächlich gibt es sie noch, wie der auf diesen Seiten gezeigte Jaguar beweist. Seit 19 Jahren stand sein Kilometerzähler unverändert bei 109.000 km, umso dicker war die Staubschicht auf dem
XJ6 Coupé. Einsteigen, losfahren, glücklich sein?
Der Besichtigungstermin stand an - und den ersten Fehler hatte der ursprüngliche Besitzer des Jaguar noch gemacht, ehe das Coupé den Eigentümer wechselte: Er kaufte eine neue Batterie, füllte frischen Sprit ein und ließ den 4,2-Liter-Reihensechszylinder kurz laufen.
Zwar stellte sich dabei heraus, dass der Motor unrund und nicht auf allen Zylindern lief, aber dennoch wäre es dem Käufer lieber gewesen, der Vorbesitzer hätte es nicht getan...
Grundsätzlich: Wer ein Fahrzeug, das jahrzehntelange nicht in Betrieb war, mit einem frischen Akku und der ganz großen Sprühdose Startpilot zurück ins Leben ruft (frei nach dem Motto "Mal schauen, was die Kiste noch draufhat"), hat es nicht verdient, einen solchen Schatz zu finden. Problem Nummer eins: Rost im Inneren des Motors, Ablagerungen im Öl
oder auch Undichtigkeiten im Kühlwasserkreislauf können der eigentlich intakten Technik schnell das Lebenslicht ausblasen. Problem Nummer zwei: Malade Radlager, steinharte Reifen, poröse Bremsleitungen oder undichte Bremssättel und Bremszylinder können selbiges mit dem Fahrer und den anderen Verkehrsteilnehmern tun... Unser frisch gebackener Jaguar-Besitzer hängt an seinem Leben (und dem seines Autos) und beschloss daher, das elegante Coupé mit der gebührenden Sorgfalt wiederzubeleben. Bei allen dazu nötigen Arbeiten durften wir den Engländerspezialisten Joachim Gunst in der Werkstatt für
britische Automobile in Heidelberg über die Schulter sehen.
Vier grundsätzliche Arbeitsbereiche nennt der Profi: "Kunststoff und Gummiteile altern auch im Stand. Sie härten aus, werden porös und brüchig. Alle entsprechenden Teile sollten deshalb in Augenschein genommen werden, von Lenkmanschetten und Kühlwasserschläuchen bis zu allen Teilen der Bremsanlage. Das Tückische: Nicht immer ist
der tatsächliche Zustand von außen zu erkennen, Bremsschläuche können beispielsweise nach innen aufquellen. Solche sicherheitsrelevanten Teile sollten immer ersetzt werden! Das gilt übrigens auch für Reifen, die rissig sind oder auch nur jahrelang 'standen', womöglich mit zu geringem Luftdruck. Das zweite Thema sind die Betriebsstoffe: Alle Öle, die Bremsflüssigkeit sowie das Kühlwasser müssen gewechselt werden. Auch eventuell noch nicht verdampftes altes Benzin muss raus. Dritter Aufgabenbereich: eine Prüfung der Mechanik, um mögliche Folgeschäden, beispielsweise durch Rost auf den Zylinderlaufflächen, zu vermeiden. Und schließlich sollten alle Arbeiten erledigt werden, die bei einer ganz normalen großen Inspektion anstehen. Wer kann schließlich sicher sein, dass
die Werkstatt bei der letzten Durchsicht anno 1982 das Ventilspiel korrekt eingestellt hat?"
Also die Motorhaube auf und zur Sache: Als erstes entdeckte Joachim Gunst erwartungsgemäß total verhärtete, brüchige Zündkabel. Nicht erwartungsgemäß: zwei Kerzenstecker waren vertauscht. Jaguar nummerierte seine Zylinder anders als die kontinentalen Hersteller von hinten nach vorne durch, was ein Grund für den Fehler gewesen sein kann - eine VW-Werkstatt hatte zuletzt Hand an den eleganten Zweitürer
gelegt... Doch setzen wir unsere Bestandsaufnahme fort: Nach der Demontage des Luftfilters galt der nächste Blick der Heidelbergers den zwei SU-Vergasern. "Zerlegen und reinigen", lautet seine schnelle Diagnose. Auch sie überraschte nicht: Die leicht flüchtigen
Bestandteile des Benzins verdampfen mit der Zeit völlig, zurück bleiben harzige Rückstände, die die Funktion der Gasfabriken beeinträchtigen. "Neue Vergaserdichtungen sind selbstverständlich, ebenso ein Check aller Membranen", sagt Gunst. Weitere Arbeiten an der
Benzinzufuhr: der Tausch von Filtern und Schläuchen. Die zwei elektrischen Benzinpumpen, die beim XJ direkt an den zwei Tanks im Heck arbeiten (und nach langer Standzeit fast immer defekt sind), hatte der Vorbesitzer bereits in besagter VW-Werkstatt wechseln lassen.
Das alte Motoröl fing Gunst zunächst in einer Plastikwanne auf. Er roch dabei am Öl, um einem eventuell hohen Benzinanteil auf die Spur zu kommen. Der könnte zwar schon in längeren erfolglosen Startversuchen mit den vertauschten Zündkabeln begründet liegen, kann aber im Fall schlechter Kompressionswerte auch ein erstes Indiz für defekte
Kolbenringe oder verschlissene Zylinder sein. Ergebnis der Nasenprobe: alles in Ordnung. Gunst ließ das aufgefangene Öl dann langsam in den Entsorgungsbehälter laufen und prüften den Bodensatz auf Metallspäne und Abrieb - beim Jaguar war nichts zu finden! Es folgte ein Blick in die Brennräume mit dem Werkstattendoskop. Wenn sich hier erster Rost
zeigt, sollte zunächst ein wenig Rostlöser in die Zylinder "eingespritzt" werden. Wenn es ganz schlimm aussieht, muss der Motor zwangsläufig zerlegt und fachgerecht überholt werden. Wir wussten ja, dass der Jaguar nach seinen Dornröschen schon kurz gelaufen war, und das war auch an den Zylindern zu sehen. Es war nur ganz leichter Flugrost zu erkennen,
den Gunst als unbedenklich einstufte und der schon durch den kurzen Probelauf mehr oder weniger "abgeschabt" worden war. Irgendwelche Riefen oder Fressspuren waren nicht zu sehen. Um dem Triebwerk trotzdem das spätere Starten leichter zu machen, füllte Gunst durch jedes Kerzenloch eine kleine Menge Motoröl ein. Das konnte sich in den nächsten Stunden gleichmäßig verteilen.
So widmete sich der Fachmann anschließend den Ventilen. Die zwei obenliegenden Nockenwellen des Jaguar betätigen die Ein- und Auslassventile über Tassenstößel mit eingelegten Einstellscheiben. Das vom Hersteller vorgegebene Ventilspiel wird durch diese
unterschiedlich dicken Scheiben eingestellt. Bei der Messung des Spiels muss sehr sorgfältig vorgegangen und jeder ermittelte Wert am besten in einer Tabelle eingetragen werden. Bei vier Ventilen passte das Spiel, bei den anderen acht leider nicht. Ein imaginäres Beispiel für das Ermitteln der benötigten Einstellscheibe: Nach dem Ausbau der Nockenwellen wird die Einstellscheibe im Tassenstößel mit einer Mikrometerschraube vermessen. Das Resultat:
2,08 Millimeter. Da das Ventilspiel bei der Messung um 0,04 zu knapp war, muss bei diesem Ventil also eine Scheibe mit 2,04 Millimetern eingelegt werden, um die vorgegebenen 0,10 Millimeter zu erzielen. Bei zu großem Spiel ist eine entsprechend dickere Scheibe gefragt.
Der Aus- und Einbau der Nockenwellen sollte genau nach Werkstatthandbuch erfolgen. Beim Jaguar können die Kettenräder von den Nockenwellen getrennt werden. Bei anderen Fahrzeugen muss unter Umständen die Steuerkette geöffnet werden. Die benötigten
Einstellscheiben gibt's normalerweise bei spezialisierten Händlern, eine eventuelle Wartezeit sollten Sie jedoch bei der Arbeitsplanung berücksichtigen. Ein prüfender Blick alle Nocken und Lagerstellen der Nockenwellen versteht sich bei diesen Arbeiten von selbst. Wichtig:
Vorm Wiedereinbau der Nockenwellen alle Lagerstellen gut mit Motoröl benetzen, das erleichtert den späteren Startversuch. Sehr einfach ist die Sache natürlich bei OHV- und OHC-Motoren mit Einstellschrauben an den Kipphebeln. Auch hier gilt: Nocken und Laufflächen der Kipp- oder Schlepphebel prüfen.
Nach dem Einstellen des Ventilspiels und dem Einfüllen von Motoröl war unser Jaguar fertig für eine erste Kompressionsmessung. Falls Vergaser montiert sind, müssen die Drosselklappen dabei ganz offen sein, sonst saugt der Motor zuwenig Luft an. Wir erhielten ein erstaunlich gutes Kompressionsdiagramm! Also alles im positiven Bereich? Nicht
unbedingt, denn diese Messung sagt zu diesem Zeitpunkt nur etwas über den Zustand der Ventile aus. Auf die Kolben und deren Ringe lässt das Ergebnis nur bedingt schließen, denn wir hatten ja Öl in die Zylinder gespritzt, das durch seine Dichtwirkung über defekte
Kolbenringe erstmal hinweggetäuscht. Erst eine zweite Messung nach einer ausgiebigen Probefahrt gibt wirklich Aufschluss über die Beschaffenheit der Zylinder und Kolben. Doch auch die - das sei vorausgeschickt - fiel am Ende gut aus. Zeigt sich beim Ablassen des alten Kühlwassers viel Rost, empfiehlt sich eine mehrfache Spülung. Erst dann die neue Kühlflüssigkeit nachfüllen - natürlich mit Frostschutzmittel im angegebenen Mischungsverhältnis. Das verhindert bekanntlich nicht nur Frostschäden sondern schützt auch vor weiterer Korrosion. Nach dem Ablassen der Kühlflüssigkeit und dem Neubefüllen des System machten wir eine Druckprüfung. Diese spürt Undichtigkeiten und defekte Wasserschläuche auf und lässt sogar Rückschlüsse auf einen möglichen Riss im Zylinderkopf zu. Gut zehn Minuten sollte der eingepumpte Druck konstant bleiben. Wie eingangs gesagt: Alle Wasserschläuche stehen grundsätzlich im Verdacht, am Ende zu sein. Sind sie problemlos verfügbar und nicht allzu teuer, ist ihr Tausch empfehlenswert - wer
sparen möchte, sollte doppelt genau hinsehen...
Wir schauten uns nun den Zündverteiler näher an. Der Fliehkraftregler war freigängig, die Unterdruckverstellung prüfte Joachim Gunst mit einer kleinen Handpumpe mit Manometer. Auch sie funktionierte einwandfrei. Ein neuer Unterbrecherkontakt war ebenso selbstverständlich wie der Tausch von Verteilerfinger, Verteilerkappe, Zündkabeln und
Kerzensteckern. In Heidelberg werden meist NGK-Kerzen und -Kerzenstecker verwendet-Gunst: "Damit haben wir die besten Erfahrungen gemacht, bei kompromisslosen Originalitätsfans montieren wir natürlich auch Teile anderer Hersteller." Auch ein neuer
Zündkondensator war Pflicht - "der kostet nur ein paar Euro und erspart so manche Fehlersuche!" Den Zündzeitpunkt stellten wir zunächst mit einer Prüflampe auf die statische Markierung ein und montierten dann die Vergaser wieder, füllten Dämpferöl ein und prüften die Freigängigkeit der Kolben. Neugierige Naturen könnten jetzt einen Startversuch
machen...
Wir widmeten uns aber zunächst dem Automatikgetriebe von Borg-Warner. Solche Getriebe nutzen ihre Füllung mit ATF-Öl (Automatic Transmission Fluid) nicht nur zur Schmierung und Kraftübertragung, vielmehr werden auch die Schaltvorgänge durch den Öldruck gesteuert,
der von einer integrierten Ölpumpe aufgebaut wird. Jegliche Verunreinigung ist Gift für diese Systeme. Daher ließen wir das Öl ab, demontierten die Ölwanne und reinigten das Ölsieb. Ein kleiner Magnet in der Ölwanne soll Späne und Abrieb fangen - er war zum Glück absolut
sauber! Da also hier nichts Anlass zu irgendwelchen Befürchtungen gab, ließen wir die Schaltbox ansonsten unangetastet. Für jede andere Art von Getriebe gilt grundsätzliche das gleiche: auf Undichtigkeiten untersuchen, Öl ablassen und auf Rückstände kontrollieren, eventuell vorhandene Filter wechseln. Die Gummis der hinteren Getriebeaufhängung des
Jaguar waren in sehr schlechtem Zustand und mussten ersetzt werden - Gummiteile eben, wir hatten das Thema bereits... Die nächsten Checks galten Differential und Kardanwelle. Auch im Hinterachsöl fanden wir keine Späne, also wurde es lediglich gewechselt. Weder die
Kreuzgelenke noch das Schiebestück der Kardanwelle zeigten Spiel oder Verschleiß, hier dürfte das Abschmieren reichen.
Thema Fahrwerk: Alle Teile der Radaufhängung überprüfte Gunst der Reihe nach, begonnen bei den Fahrwerksbuchsen bis hin zur Lenkung und den Stoßdämpfern. Nirgendwo fanden wir zunächst Grund zur Sorge. Auch alle Radlager zeigten sich von ihrer besten Seite - spielfrei, leichtgängig, geräuschlos. Dennoch ist es ratsam, die Lager auszubauen, zu reinigen und mit frischem Fett wieder zu montieren. Neue Reifen waren schon aufgrund des hohen Alters selbstverständlich. Insbesondere bei einem so schnellen und schweren Wagen wie dem Jaguar-Coupé ist kein Raum für Kompromisse - vier Reifen sind allemal billiger als ein geplatzter auf der Autobahn! Als die Räder demontiert waren, fielen auf beiden Seiten auch verbrauchte, verrostete Spurstangengelenke auf. Sie wurden erneuert, was natürlich ein Vermessen der Vorderachse nach sich zieht, um die korrekte Lenkgeometrie sicherzustellen. Im letzten Schritt versorgten wir alle Schmiernippel mit frischem Fett - dabei sollte man bei einem bisher unbekannten Wagen nach dem Schmierplan im
Werkstatthandbuch vorgehen.
Bisher zeigte sich die große Katze weitgehend von ihrer besten Seite. Der Kauf des Fundstücks - ein echter Glücksgriff? Ja, unbedingt, auch wenn der noble Brite noch eine schlechte Nachricht bereithielt - und die beim wohl wichtigsten Punkt der Arbeiten, bei den Bremsen! Hauptbremszylinder und Bremskraftverstärker arbeiteten einwandfrei, aber auf der linken Fahrzeugseite saßen die Kolben in den Bremssätteln fest. Außerdem hing ein Sattel der auf die hinteren Scheiben wirkenden Handbremse. Rechts hingegen arbeiteten die vier vorderen und zwei hinteren Kolben wie am ersten Tag, lediglich die Staubschutzmanschetten waren zum Teil ein wenig brüchig. Joachim Gunst entschied sich
nach Rücksprache mit dem Kunde für das Überholen der gesamten Bremsanlage. "Hier sollte man Nägel mit Köpfen machen! Nur das wirklich nötigste zu reparieren, ist Sparen am falschen Platz!", meinte der Fachmann zum Thema Bremsen und demontierte schon mal die
Hinterachse. "Die Hinterachse?", werden Jaguar-Unkundige fragen. Ja, denn sonst ist nicht möglich, halbwegs vernünftig zu arbeiten. Allerdings sitzt die gesamte Achse in einem Hilfsrahmen, der nach Demontage der Kardanwelle, der Bremsschläuche sowie des Handbremsseils einfach nach unten abgelassen werden kann. Achtung: Die Achse gehört nicht gerade zu den Leichtgewichten! Unbedingt mit einem Getriebeheber ablassen und am besten rechts und links einen kräftigen Helfer einteilen.
Unmittelbar vor der Stillegung hatte der Vorbesitzer offensichtlich die Bremsbeläge erneuern lassen, sie konnten an ihrem Platz bleiben. Die absolute Ausnahme, wie der Heidelberger Profi sagt: "In diesem Fall war die Sache eindeutig, aber das ist selten. Ansonsten gehören alte Bremsklötze in den Müll, genauer gesagt in den Sondermüll, weil praktisch nicht festzustellen ist, ob sie noch asbesthaltig sind. Deshalb ist auch beim Bremsstaub Vorsicht angesagt, der keinesfalls eingeatmet werden sollte. Am besten Wasser oder Bremsenreiniger aufsprühen, den Staub damit binden und anschließend mit einem Pinsel entfernen und in
einer Plastiktüte entsorgen." Und noch einmal: alte Bremsschläuche beim geringsten Zweifel unbedingt erneuern! Bei sehr lange stillgelegten Fahrzeugen ist es überdies eine Überlegung wert, Teile wie beispielsweise Radbremszylinder vorbeugend auszutauschen, wenn es die
Ersatzteillage gestattet. Nach dem Befüllen mit neuer Bremsflüssigkeit und dem Entlüften des Systems arbeiteten wir die gesamte Checkliste im Geiste nochmals durch. Sind wirklich alle Betriebsstoffe eingefüllt? Ist alles wieder montiert? Bei einem Hightech-Auto wie dem Jaguar ist schnell
etwas übersehen. Erst dann der erste Startversuch: Joachim Gunst zog dazu die Unterbrecherleitung zur Zündspule ab und ließ den Motor mehrmals per Anlasser durchdrehen, bis der Öldruck aufgebaut war. Anschließend startete er mit aktivierter Zündung und sofort nahmen die sechs Zylinder völlig unspektakulär ihren Dienst auf. Anfänglich qualmte der Jaguar deutlich sichtbar aus seinen beiden Endrohren, das gab sich
aber relativ schnell. Mit einem Unterdruckmessgerät wurden dann die beiden Vergaser exakt synchronisiert, Leerlaufdrehzahl und CO-Wert regelte Gunst nach Herstellervorgabe ein. Das Abblitzen der Zündung mit der Stroboskoplampe zeigte anschließend, dass die Verstellung
exakt arbeitete. Mit Drehzahlen zwischen 1500 und 2000 Umdrehungen lief die Maschine in der Werkstatt langsam warm. Die Leerlaufdrehzahl sollte zunächst vermieden werden, weil die Ölpumpe dabei eine geringe Förderleistung hat. Gunst beobachtete während der Warmlaufphase die
Wasser- und Öltemperatur sowie die Öldruckanzeige genau - es traten keine ungewöhnlichen Erscheinungen auf. Bei Fahrzeugen ohne die entsprechenden Instrumente kann zum Ermitteln der Temperaturen ein digitales Infrarot-Thermometer benutzt werden, das berührungslos messen kann. Solche Geräte gibt es im Elektronikgeschäft schon ab 50
Euro. Fehlt eine Öldruckanzeige, können ganz vorsichtige Naturen oft ein "externes" Manometer anstelle des Gebers der Öldruckkontrolllampe einsetzen. Ein solches (provisorisches) Manometer lässt sich beispielsweise aus einem hydraulisch arbeitenden Öldruckinstrument samt Schlauch und einem selbstgefertigten Anschlussstück, das in das
Gewinde des erwähnten Gebers am Motorblock passt, relativ einfach anfertigen. Die Werte, die der Öldruck im betriebswarmen Zustand bei einer bestimmten Drehzahl erreichen sollte, gehen gewöhnlich aus dem Werkstatthandbuch hervor, aber auch Markenkollegen können meist mit den Eckdaten weiterhelfen.
Grundsätzlich gilt: Stimmen sowohl Öldruck als auch Kompression, ist der Motor vermutlich kerngesund. Zu geringe Kompression lässt auf verschlissene Kolben, Kolbenringe und Zylinder schließen oder aber auf undichte Ventile. Ist der Öldruck zu niedrig, sind wahrscheinlich die Hauptlager hinüber, ist er deutlich zu hoch hängt vermutlich das
Überdruckventil.
Nachdem der Kühlwasserthermostat geöffnet hatte, entlüften wir bei offenem Heizungskreislauf das Kühlsystem und füllten etwas Flüssigkeit nach. Nachdem alles im grünen Bereich blieb, startete Joachim Gunst zur ersten Probefahrt, dann rollte der Jaguar auf den Bremsenprüfstand und zeigte auch dort Bestwerte. Es folgte ein kurzer Aufenthalt auf dem Achsmessstand und das Einstellen der Spurstange. Dann ging es zusammen mit dem Fahrzeugbesitzer auf die erste größere Probefahrt.
Glück gehabt - bei der eleganten Katze traten kaum Probleme auf! Dennoch: Wer nicht selbst schrauben kann, sollte unbedingt einige Kosten einrechnen, ehe er einen Scheunenfund in seine Garage stellt. Rund drei Arbeitstage brauchte Joachim Gunst beispielsweise für die sorgfältige Wiederbelebung des XJ 6 Coupés. Bei einfacher aufgebauten Autos ist meist deutlich weniger Zeit nötig, dazu kommen allerdings noch die
nötigen Teile - und nicht immer geht die Sache so glimpflich ab wie bei dem feinen Zweitürer...
Heinz Stahl
Besten Dank an Joachim Gunst
Werkstatt für britische Automobile
Am Taubenfeld 29
69123 Heidelberg
Tel.: 06221/840393
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